SFB 1369 Vigilanzkulturen
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Heroische und postheroische Figuren der Wachsamkeit

Online-Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Bröckling (Freiburg)

08.07.2021 um 18:15 Uhr

Termin

Donnerstag, 8. Juli 2021, 18 Uhr c.t.

Online via Zoom

Appelle an heroische Tugenden sind in den westlichen Gesellschaften nach 1945 fragwürdig geworden. Seit den 1980er Jahren taucht das Attribut ‚postheroisch’ in unterschiedlichen Kontexten auf und beansprucht zeitdiagnostische Aufschließungskraft. Mal bezeichnet es eine Mentalität oder einen Habitus, dann wieder einen Modus der Kriegsführung. Postheroisch kann sich aber ebenso auf ein Verständnis von Management beziehen, das die Hybris des Social Engineering abgelegt hat. Darüber hinaus werden mit dem Attribut Einstellungen und Gestimmtheiten belegt, die allergisch auf Pathosformeln reagieren, für Appelle an Opferbereitschaft oder rückhaltlose Identifikationen unempfänglich sind, denen für Tragik die Fallhöhe fehlt und die zur Verehrung großer Männer und ihrer Taten allenfalls ein ironisches Verhältnis pflegen. Wie die Rede von der Postmoderne nicht mit einem Abschied von der Moderne gleichzusetzen ist, bezeichnet auch der Topos des Postheroischen nicht das Ende, sondern ein Problematisch- und Reflexivwerden heroischer Orientierungen. Die Diagnosen einer postheroischen Gegenwart verweisen schon semantisch auf jene Heldennarrative, deren Brüchigkeit sie konstatieren und von denen sie sich absetzen. Das Integrationspotenzial und die Mobilisierungskraft heroischer Anrufungen sind zudem keineswegs erschöpft. Der diagnostizierten Fragwürdigkeit und Antiquiertheit von Heldenfiguren in der Gegenwart steht vielmehr ein fortdauernder Heldenhunger gegenüber, der reichlich bedient wird.
Der Vortrag wird diese gegenstrebige Gleichzeitigkeit heroischer und postheroischer Orientierungen anhand zeitgenössischer Figuren der Wachsamkeit exemplarisch ausführen.