Barockroman und Normativität. Romanzo barocco e normatività
Tagung des Teilprojekts C03
12.02.2025 – 14.02.2025
Termin
12.– 14. Februar 2025
Ort
Carl Friedrich von Siemens Stiftung
Südliches Schlossrondell 23
Barocke Literatur entsteht im 17. Jahrhundert unter aufmerksamer Beobachtung seitens der Zensur, aber auch der Literaturkritik und -Theorie. In Italien und insbesondere der Hauptstadt von dessen Druckgewerbe, Venedig, treffen Fragen der Rechtgläubigkeit, der politischen und diplomatischen Opportunität und der poetologischen Orthodoxie in einem Kreuzungspunkt heterogener Observanzen aufeinander, die beachtet, missachtet, unterlaufen, durchkreuzt oder gegeneinander ausgespielt werden können. Dabei spielen einerseits Zensur und Inquisition, andererseits der Schutzraum der Accademia degli Incogniti und das Bestreben der Republik Venedig, sich vom Einfluss Roms freizuhalten, wichtige Rollen.
Autoren wie G.F. Busenello suspendieren poetologische Normen, andere wie G.B. Manzini fordern selbst für den eigentlich jenseits aristotelischer Normierungen stehenden Prosaroman eine strenge Ausrichtung an den Regeln des Epos (vgl. Mehltretter i.Dr.a). Manche Autoren beugen sich der Zensur, etwa Francesco Pona, der seine indizierte Lucerna (1625) zu einer Antilucerna umarbeitet (1648), andere lehnen sich auf und bezahlen wie Ferrante Pallavicino mit dem Leben (Carminati 2011). Die Nonne Arcangela Tarabotti erarbeitet sich evasive Schreibtechniken, um kirchliche und gesellschaftliche Missstände aus dem Inneren des Klosters ohne Beanstandung durch die Zensur anzuprangern (Mehltretter i.Dr.b).
Implizit durch solche Maßnahmen, aber teils auch explizit reflektiert Literatur auf die von Vigilanz gegenüber religiösen (teils auch politischen bzw. diplomatischen) und ästhetischen Normen geprägte Situation, die sie umgibt, prägt, begrenzt, aber auch anregt. Dabei ergeben sich unterschiedliche Beobachtungsverhältnisse und Aufmerksamkeitshaltungen zwischen Akteuren der Literatur, Zensur bzw. Inquisition, Akademien, politischer Gruppierungen und Institutionen sowie des Druckgewerbes.
Die Tagung erkundet dies anhand des großen Textkorpus des italienischen und darüber hinaus allgemein europäischen Barockromans in Prosa. Sie schließt damit an eine 2021 in der C.-F.-von-Siemens-Stiftung erfolgreich durchgeführte Tagung zur Literatur ein halbes Jahrhundert früher (um 1600) und mit Fokus auf Vigilanz und Kreativität in Verstexten an, deren Akten bereits publiziert sind (Fingerle/Mehltretter 2023). Sie verschiebt aber nun den Schwerpunkt auf einen späteren Zeitraum, auf die Prosa und auf die Vielfalt der Umgangsweisen mit der auch historisch gegenüber dem früheren Zeitpunkt veränderten Situation. Nicht zuletzt die Untersuchung von Evasion und Widerstand wird in der neuen Tagung andere Akzente setzen. Mit dem Barockroman in Prosa wird überdies ein großes und bedeutendes, bislang aber zu wenig untersuchtes Textkorpus in den Mittelpunkt gestellt.
Downloads
- Plakat Barockroman und Normativität (3 MByte)
- Programm Barockroman und Normativität (722 KByte)